Teilstipendiatin 2018/2019 - Cavan


hico exp neleb01Hallöchen, ich bin Nele. Ich bin 17 Jahre alt und komme aus Dresden. Momentan bin ich in Irland für ein Auslandsjahr und bleibe hier bis Anfang Juni. Ich habe ein Stipendium bekommen und bin HiCo unglaublich dankbar dafür, mir diese Möglichkeit gegeben zu haben. Ich werde euch über das Jahr immer wieder Einblicke in mein Leben hier geben und zeigen wie es mir geht, was ich alles erlebe und wie ich mich dabei fühle.
Ich kann mich noch ziemlich genau erinnern, wie alles angefangen hat. Wie es so üblich ist, wurde mir gesagt, es kann einige Zeit dauern, bis eine Gastfamilie für mich gefunden wird. Also hab ich mir gleich vorgenommen, geduldig zu sein und fleißig zu warten. Doch im Endeffekt musste ich vergleichsweise kurz warten. Anfang März war es dann so weit. Es war Post für mich gekommen. Sobald ich den Brief in den Händen hielt, wusste ich, da sind die Informationen zu meiner Gastfamilie drin.

Auch wenn ich es natürlich nicht wusste, bevor ich den Brief geöffnet hatte – aber ich hatte da so ein Gefühl. Und tatsächlich: meine Gastfamilie wurde gefunden. Ich habe natürlich sofort auf Google Maps nachgeschaut, wo es für mich hingehen wird, denn mit „Glencurran, Cavan“ konnte ich nichts anfangen. Wie ich dann herausgefunden habe, geht es in‘s County Cavan, gelegen ca. 100 Kilometer nordwestlich von Dublin. Dann hab ich mir natürlich erst einmal alles durchgelesen. Meine Gastfamilie besteht aus beiden Elternteilen, 3 Söhnen (14, 20, 23), die alle noch zu Hause leben und einem kleinen Hund. Der Brief, den sie mir geschrieben hatten, lies sie sympathisch wirken und auch die beigelegten Fotos machten einen sehr guten Eindruck. Auch meine zukünftige Schule habe ich mir im Internet angeschaut. Eine Schule 6 Kilometer von meinem neuen zu Hause entfernt, aber trotzdem 40min Schulweg mit dem Schulbus. Auch alle anderen Informationen die im Brief zu finden waren, haben mich mehr als zufrieden gestellt. Alles wirkte perfekt. Und wie ich nur wenige Monate später erfahren sollte, wirkte es nicht nur perfekt, sondern war tatsächlich so.
hico exp neleb02Am Samstag, dem 1. September, also ein knappes halbes Jahr später, war es dann soweit. Der Koffer war gepackt, was sich als schwieriger herausstellte als gedacht, von meiner Familie hatte ich mich bereits verabschiedet und auch eine Abschiedsparty mit meinen Freunden hatte stattgefunden. Und dann ging es zum Flughafen. Um ehrlich zu sein, fiel mir der Abschied nicht wirklich schwer. Aber ich war natürlich schon ein bisschen aufgeregt. Denn man startet ja nicht jeden Tag für 9 Monate alleine in ein fremdes Land, zu einer fremden Familie und lässt alles hinter sich. Aber ein bisschen Aufregung gehört ja auch dazu. Nach einem Zwischenstop in Frankfurt kam ich am späten Nachmittag in Dublin am Flughafen an. Dort wurde ich von meinem Gastvater und dem jüngsten Sohn abgeholt. Ich wurde herzlich begrüßt und habe mich alles andere als unwohl gefühlt. Im Auto war die Stimmung dann schon ziemlich locker. Das Radio war eingeschaltet und wir sangen gemeinsam zu den Songs. Nach eineinhalb Stunden sind wir dann zu Hause angekommen und wurden von meiner Gastmutter mit dem Dinner erwartet. Auch mit ihr habe ich mich gleich gut verstanden. Meine beiden anderen Gastbrüder arbeiten beide sehr viel, weshalb sie nicht oft zu Hause sind. 

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Neben unserem Haus stehen hier in der Nähe nur wenige Andere, sonst sind alles Wiesen und Weiden und alles ist total grün. Ziemlich klischeehaft. Das Haus meiner Gastfamilie ist ziemlich groß, wirklich schön und es gibt viele Dinge, um sich die Zeit zu vertreiben. Hier gibt es sogar ein kleines „Fitnessstudio“, einen Billiardtisch und einen Airhockeytisch auf dem Dachboden. Nur vielleicht kurz zur Erklärung: Ich habe es mit meiner Gastfamilie, beziehungsweise mit ihrem Haus wirklich gut getroffen und ich möchte euch nicht in dem Glauben lassen, das sei der Standard. Ich habe mit vielen anderen Austauschschülern von meiner Schule geredet und bei ihnen fällt das Haus viel simpler aus. Und es kommt ja auch nicht darauf an, in einem Luxushaus zu wohnen oder ähnliches. Es kommt einzig und allein darauf an, dass man sich mit seiner Gastfamilie gut versteht und einen guten Draht zu einander aufbauen kann. Bei mir war es einfach nur ein glücklicher Zufall. Und jetzt zurück zum Eigentlichen: Schlussendlich wurde mir mein Zimmer gezeigt. Ein Bett, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank und ein kleines Regal – alles was man zum Wohlfühlen braucht. Nachdem ich mein Zeug ausgepackt hatte bin ich auch kurz darauf schon in‘s Bett gegangen, denn der Tag war dann irgendwie doch ziemlich anstrengend. Am nächsten Morgen haben wir alle zusammen gefrühstückt und ich habe mich schon sehr wohl in der Anwesenheit meiner Gastfamilie gefühlt. Später am Nachmittag sind wir dann zusammen zur Schwester meines Gastvaters und ihrer Familie gefahren. Das war das erste Mal, dass ich mich kurz unwohl gefühlt habe. Gerade einmal 24 Stunden in Irland, noch nicht viel Zeit zum Eingewöhnen und schon werde ich der ganzen Großfamilie vorgestellt. ABER: Im Endeffekt ist das ja eine super Sache. Ich werde in die Familie integriert und lerne alle kennen. In den folgenden zwei Wochen sollte ich dann auch alle anderen Familienmitglieder kennenlernen – und das sind unglaublich viele, denn irische Familien sind bekanntlich sehr groß. Alle haben mich nett begrüßt und herzlich in ihre Familie aufgenommen.
hico exp neleb07Dienstag. Mein erster Schultag. Hilfe! Ich war echt ziemlich aufgeregt. Was ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: ich bin in das sogenannte Transition Year gekommen. Ein optionales Schuljahr, in dem man viele Ausflüge macht, viele Projekte stattfinden und Unterricht oft anders ist als normaler Frontalunterricht. Und ich bin unendlich froh, dass ich im TY bin. Denn so kann ich mein Auslandsjahr genießen, ohne großartig für die Schule lernen zu müssen, denn wir bekommen so gut wie keine Hausaufgaben oder schreiben Tests. Auf meinem Stundenplan stehen neben Mathe, Englisch, Geschichte und Musik auch Fächer wie Business, Technology, Career Guidance und Construction. Ein bunt gemischter Stundenplan mit lauter neuen, aufregenden Fächern. In meiner Klasse sind außer mir noch 6 weitere Austauschschüler. Und in den anderen beiden TY-Klassen sind weiter 10. Wir sind also ziemlich viele Austauschschüler. Dadurch, dass wir so viele sind, fiel es mir von Anfang nicht schwer, mich zurecht zu finden. Aber um ehrlich zu sein, hätte ich auch nichts dagegen, deutlich weniger Austauschschüler zu sein, denn so würden wir mehr in Kontakt mit den irischen Schülern kommen – so dachte ich zumindest am Anfang. Mittlerweile habe ich auch irische Freunde gefunden und verstehe mich mit allen aus der Klasse ganz wunderbar.
Der erste Schultag verging unglaublich schnell. Genauso wie die erste Schulwoche. Natürlich ist es am Anfang komisch in eine neue Schule zu kommen, aber ich habe mich unglaublich schnell eingelebt. In den nächsten Wochen habe ich mich immer besser zurecht gefunden und immer mehr Freunde gefunden. Mein Tipp an euch: seid offen und geht auf Leute zu. Sonst ist es schwer, den Anschluss zu finden. Ich bin beispielsweise dem Schulchor beigetreten, um möglichst viel in diesem Jahr zu erleben und viele neue Bekanntschaften zu machen.
Eine Sache, die mir hier ein bisschen fehlt ist Spontanität. Ich wohne zwar nur weniger Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, aber es gibt leider keine Möglichkeit dieses mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Zumindest da wo ich wohne. Ich müsste eine gute Stunde zum nächsten Bus laufen. Also bin ich immer auf meine Gasteltern angewiesen, dass sie mich mit dem Auto fahren. Glücklicherweise würden sie mich zu quasi jeder Zeit überall hinfahren, aber trotzdem gibt es mir das Gefühl, von ihnen abhängig zu sein. Aber damit muss man eben klarkommen. Dass das Leben nicht das gleiche wie zu Hause ist, wusste ich ja. Und so soll es ja auch sein. Neue Erfahrungen zu sammeln gehört dazu. Und so habe ich auch zu schätzen gelernt, wie großartig Unabhängigkeit eigentlich sein kann, die viele von uns als selbstverständlich einstufen.
hico exp neleb03Halloween ist gerade erst vorbei. Schon lange davor haben wir angefangen, das ganze Haus zu dekorieren. Jeder freie Platz wurde behangen oder bestellt und das Haus war nicht mehr wiederzuerkennen. Wie ich nicht nur an unserem Haus gesehen habe, scheint das hier ein gewisser Brauch zu sein, mit der Dekoration etwas zu übertreiben. Schließlich ziehen dann am Halloween-Abend viele Kinder verkleidet von Haus zu Haus und zelebrieren „Trick or Treat“ - das Pendant zum deutschen „Süßes oder Saures“. Allerdings laufen die Kinder hier nicht durch die Straßen, sondern werden von ihren Eltern mit dem Auto herumgefahren, denn die Häuser stehen teilweise weite Strecken auseinander. Auch zu unserem Haus kamen viele Kindern und wir haben reichlich Süßes verteilt.
Mit Halloween fiel auch meine erste Ferienwoche zusammen. Eine Woche „Mid Term Holidays“. Da meine Gasteltern arbeiten mussten, habe ich die Ferien entweder zu Hause genossen oder habe mich mit Freunden getroffen. An einem Tag sind wir nach Dublin gefahren. Das ist ein weiterer Tipp von mir: versucht so viel wie möglich vom Land zu sehen. Wie blöd wäre es denn, wenn man ein ganzes Schuljahr im Ausland war und im Endeffekt nur die Stadt, in der man lebt, gesehen hat. Meine irische Partnerorganisation bietet beispielsweise auch monatliche Trips zu den unterschiedlichsten Zielen in ganz Irland an. Eine super Möglichkeit, um das gesamte Land kennenzulernen. Wir waren beispielsweise schon beim „Giant‘s Causeway“ in Nordirland und sind erst kürzlich nach „Glendalough“, einem Tal in den Wicklow Mountains mit einer jahrhundertealten Klostersiedlung und zwei malerischen Seen, gefahren. Beides absolute must-see‘s.
hico exp neleb06Um ehrlich zu sein, hatte ich bisher nicht ein einziges Mal Heimweh oder habe hier etwas vermisst. Natürlich, ein bisschen vermisst man seine Familie und Freunde schon, aber bei mir überwiegen die euphorischen Gefühle, die das Auslandsjahr mit sich bringt. Viel zu aufregend sind die ganzen neuen Erfahrungen. Man lernt ständig neue Leute kennen und kann ganz viele tolle Dinge erleben. Ich bin mittlerweile beispielsweise auch noch dem Kirchenchor der Gemeinde beigetreten, auch wenn ich überhaupt nicht religiös bin. Natürlich war das am Anfang etwas seltsam, aber es ist eine ganz neue und vor Allem spannende Erfahrung. Ich habe mir für mein Auslandsjahr vorgenommen, ganz viele neue Sachen auszuprobieren und befinde mich, denke ich, auf einem sehr guten Weg. Dazu gehört auch, manchmal aus seiner Komfortzone herauszukommen und Dinge zu machen, die vielleicht im ersten Moment seltsam erscheinen.
Ich bin unglaublich froh, Irland für mein Auslandsjahr gewählt zu haben. Die Leute hier und das Land faszinieren mich einfach. Iren sind extrem offene und freundliche Leute. Egal wie gut du jemanden kennst, es wird immer ein netter Smalltalk aufgebaut und man wird herzlich integriert. Auch auf der Straße grüßt man jeden, der an einem vorbeiläuft. Von dieser Offenheit und Freundlichkeit könnten sich die Deutschen ruhig mal etwas abschauen. Neben den Leuten ist auch das Land einfach toll. Nicht nur die immergrüne Natur oder die unzählbaren Schafe und Kühe, die es hier gibt, sondern auch die Kultur der Iren. Traditionelle irische Musik und „Irish Dancing“ sind eine total neue Erfahrung für mich. Mit welcher Leidenschaft die Iren diese Tradition ausleben, ist großartig. Auch als Nicht-Ire kommt sofort Stimmung auf, wenn irische Musik läuft und man will am liebsten mittanzen. Ich fühle mich unglaublich wohl und bereue es auf keinen Fall, mich für ein Auslandsjahr in Irland entschieden zu haben.
Wir bestimmt aufgefallen ist, habe ich den Ausdruck „zu Hause“ mehrmals verwendet. Und ja – ich fühle mich hier mittlerweile zu Hause. Es ist wie ein zweites zu Hause. Meine Gastfamilie hat mich als ein richtiges Familienmitglied aufgenommen und wir verstehen uns bestens. Und wie ich am Anfang schon erwähnte: es ist alles perfekt. Ich bin ohne große Erwartungen herkommen, denn im Endeffekt wird ja alles bekanntlich ganz anders, als man es sich vorgestellt hat. Doch wenn ich jetzt darüber nachdenke, könnte es nicht besser sein.

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